BGH Urteil
Darlegungsanforderung an Mieter bei Schadensersatzklage und Eigenbedarf
BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
VIII ZR 368/03
Der VIII. Zivilsenat des BGH hat auf die mündliche Verhandlung vom 18.5. 2005 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Deppert und die Richter Dr. Beyer, Ball, Dr. Leimert und Dr. Frellesen
für Recht erkannt:
Auf die Revision des Bekl. wird das Urteil der 4. Zivilkammer des LG Mannheim vom 21. 11. 2003 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Kl. waren seit dem Jahre 1985 Mieter der Erdgeschoßwohnung im Hause W. in M. , das im Eigentum der Eltern der Kl. zu 2 und des Bekl. stand. Der damals noch ledige Bekl. bewohnte die im selben Haus gelegene Souterrainwohnung. Im Herbst 1998 übertrugen die Eltern das Eigentum an dem Hausgrundstück auf den Bekl.. Mit Schreiben vom 28. 12. 1998 kündigte der Bekl. das mit den Kl. bestehende Mietverhältnis zum 31. 12. 1999 mit der Begründung, er wolle „in die größere, hellere und trockenere Wohnung im Erdgeschoß einziehen“. Die Kläger räumten die Wohnung und mieteten ab 1. 9. 1999 eine andere Wohnung zu einer höheren Miete.
In der folgenden Zeit nahm der Bekl., der weiterhin im Souterrain des Hauses wohnte, in der Erdgeschoßwohnung - teils in Eigenarbeit, teils durch einen beauftragten Unternehmer - Sanierungsarbeiten vor, die sich bis in das Jahr 2002 hinzogen. Der Bekl., der Mitte des Jahres 2002 heiratete, vermietete die Erdgeschoßwohnung zu dieser Zeit anderweitig. Er hatte seit Anfang des Jahres 2002 damit begonnen, seine Souterrainwohnung auszubauen und lebt mit seiner Ehefrau in dieser durch Umbau vergrößerten Wohnung.
Die Kl. haben Schadensersatz wegen Umzugskosten und der Differenz zwischen der ursprünglich und der in der neuen Wohnung gezahlten Miete verlangt, insgesamt 15.619,97 € nebst Zinsen. Des weiteren haben sie die Feststellung begehrt, dass der Bekl. verpflichtet ist, ihnen auch den zukünftig infolge der Kündigung entstehenden Schaden zu ersetzen. Die Kl. haben vorgetragen, der Bekl. habe den im Kündigungsschreiben angegebenen Eigenbedarf vorgetäuscht; er habe zu keinem Zeitpunkt beabsichtigt, die Erdgeschoßwohnung selbst zu nutzen. Der Bekl. hat vorgetragen, er habe sich erst zu Beginn des Jahres 2002 - noch vor Abschluß der Sanierungsarbeiten im Erdgeschoß, die sich infolge der Insolvenz des beauftragten Unternehmers unvorhersehbar verzögert hätten - entschlossen, seine Lebensgefährtin zu heiraten und die Souterrainwohnung zur gemeinsamen Ehewohnung auszubauen, weil die Erdgeschoßwohnung als Familienwohnung zu klein sei.
Das AG hat der Klage überwiegend - hinsichtlich des Zahlungsanspruchs in Höhe von 13.822,26 € nebst Zinsen und hinsichtlich des Feststellungsanspruchs befristet bis zum 29. 11. 2007 - stattgegeben; im übrigen hat es die Klage abgewiesen und die Aufrechung des Bekl. mit Gegenforderungen nicht durchgreifen lassen. Auf die Berufung des Bekl. hat das LG die Zahlungsklage insoweit abgewiesen, als der Bekl. zur Zahlung eines 10.795,42 € nebst Zinsen übersteigenden Betrags verurteilt worden ist; im übrigen hat es die Berufung zurückgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Bekl. seinen Antrag weiter, die Klage insgesamt abzuweisen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg.
I.
Das BerGer. hat ausgeführt:
Den Kl. stehe der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz wegen einer Vertragsverletzung gegen den Bekl. in der zuerkannten Höhe zu, weil dieser das Wohnungsmietverhältnis unter Angabe von unzutreffenden Gründen gekündigt habe. Die Absicht zur Eigennutzung müsse in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigungserklärung stehen; insbesondere seien sogenannte Vorratskündigungen unzulässig. Nach dem Vortrag des Bekl. sei davon auszugehen, dass er für die Sanierung der Wohnung circa 2 ½ Jahre benötigt habe. Im Allgemeinen seien Sanierungsarbeiten in dem vom Bekl. beschriebenen Umfang in höchstens sechs Monaten abgeschlossen. Wer die Wohnung vor dem Selbstbezug sanieren wolle, dürfe sich damit nicht beliebig Zeit lassen. Hätte der Bekl. in dem Kündigungsschreiben mitgeteilt, dass er eine Sanierungszeit von 2 ½ Jahren in Anspruch nehme und einen Bezug der Wohnung erst im Jahre 2002 plane, so hätten die Kl. erkannt, dass die Kündigung verfrüht und damit unzulässig sei.
Ein Vermieter dürfe nicht kündigen, wenn er nicht sicher wisse, ob er die gekündigte Wohnung selbst nutzen könne oder wolle. Sei streitig, ob der Nutzungswille ursprünglich bestanden habe, treffe den Vermieter die Beweislast. Beweis dafür, dass er die Wohnung ursprünglich selbst habe nutzen wollen, habe der Bekl. nicht angetreten.
Dem Bekl. sei der Einwand verwehrt, er sei auch wegen „permanenter Pflichtverletzungen“ der Kl. zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigt gewesen; ihm stünden auch die aufrechnungsweise geltend gemachten Gegenforderungen nicht zu.
II.
Die Annahme des BerGer., der Bekl. sei den Kl. zum Schadensersatz verpflichtet, weil er das Mietverhältnis unter Angabe von unzutreffenden Gründen gekündigt habe, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.
Zutreffend ist das BerGer. davon ausgegangen, dass ein Vermieter, der schuldhaft eine Kündigung ausspricht, die wegen fehlenden Kündigungsgrundes unwirksam ist, dem Mieter nach den hier noch anzuwendenden gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung - das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 findet auf das bereits im Jahr 1999 beendete Mietverhältnis keine Anwendung (vgl. Art. 229 § 5 EGBGB) - zum Schadensersatz verpflichtet ist (Senatsurteil BGHZ 89, 296, 302; BGH, Urteil vom 8. 7. 1998 - XII ZR 64/96, NZM 1998, 718, unter 2 a m.w.Nachw.). Dies gilt auch dann, wenn ein vom Vermieter mit der Kündigung geltend gemachter Eigenbedarf, wie die Kl. vorgetragen haben, in Wahrheit nicht besteht (vgl. OLG Karlsruhe, NJW 1982, 54; LG Bochum, NJWE-MietR 1997, 50, jew.m.w.Nachw.; Grapentin in Bub/Treier, Handbuch der Geschäfts- und Wohnraummiete, 3. Aufl., IV Rdnr. 27, 102; Münch- KommBGB/Häublein, 4. Aufl., § 573 Rdnr. 104 f.; Staudinger/Rolfs, BGB (2003), § 573 Rdnr. 165 ff.).
Gemäß den für die Kündigung vom 28. 12. 1998 maßgeblichen Bestimmungen in § 564 b I und II Satz 1 Nr. 2 BGB a.F. (jetzt § 573 I Satz 1, II Nr. 2 BGB) kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat; als ein berechtigtes Interesse ist es insbesondere anzusehen, wenn der Vermieter die Räume als Wohnung für sich, die zu seinem Hausstand gehörenden Personen oder seine Familienangehörigen benötigt. Hierfür ist es ausreichend, dass der Vermieter vernünftige, nachvollziehbare Gründe für die Inanspruchnahme des Wohnraums für sich oder eine der im Gesetz genannten Personen hat (BGHZ 103, 91, 100; vgl. BVerfGE 79, 292, 293 f.; BVerfG, Beschluss vom 23. 12. 1993 - 1 BvR 853/93, NJW-RR 1994, 333 = WM 1994, 1041, unter III 1).
Solche Gründe hat der Bekl. in seinem Kündigungsschreiben vom 28. 12. 1998 geltend gemacht. An einem berechtigten Interesse des Beklagten zur Kündigung würde es allerdings fehlen, wenn diese Gründe nicht zutrafen, weil der Bekl. bereits damals nicht beabsichtigte, die Wohnung selbst zu nutzen. Soweit das BerGer. angenommen hat, der Bekl. habe das Mietverhältnis unter Angabe unzutreffender Gründe gekündigt, sind seine Ausführungen nicht frei von Rechtsfehlern.
2.
Zu Unrecht ist das BerGer. der Auffassung, bereits aus der Dauer der vom Bekl. vorgenommenen Sanierung der Wohnung von circa 2 ½ Jahren sei zu schließen, dass die Kündigung „verfrüht“ und deswegen unzulässig gewesen sei.
Zwar ist richtig, dass ein Eigenbedarf des Vermieters nach § 564 b II Satz 1 Nr. 2 Satz 1 BGB a.F. (jetzt § 573 II Nr. 2 BGB) nur besteht, wenn der Vermieter die Wohnung gegenwärtig oder in absehbarer Zeit benötigt. Eine sogenannte „Vorratskündigung“, der ein gegenwärtig noch nicht absehbarer Nutzungswunsch zugrunde liegt, ist unzulässig (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. 8. 1990 - 1 BvR 440/90, NJW 1990, 3259; Beschluss vom 26. 9. 2001 - 1 BvR 1185/01, WuM 2002, 21, unter II 2 b; Grapentin, aaO, IV Rdnr. 74; Häublein, aaO, Rdnr. 68, jew.m.w.Nachw.). Eine solche Vorratskündigung ist nach dem vom BerGer. zugrundegelegten Vorbringen des Bekl. nicht gegeben.Der Bekl. hat seinen Eigenbedarf auf einen gegenwärtigen und nicht auf einen Nutzungswunsch für eine ungewisse Zukunft gestützt.
Der Umstand, dass der Bekl. die Wohnung nach dem Auszug der Kl. zunächst saniert hat, um sie nach seinen Vorstellungen herzurichten, steht einem Eigenbedarf nicht entgegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. 9. 2001, aaO m.w.Nachw.; OLG Frankfurt/Main, NJW 1992, 2300; Grapentin, aaO, Rdnr. 71). Dies gilt auch im Hinblick auf die vom Berufungsgericht beanstandete Dauer der Sanierung. Die berechtigte Eigenbedarfskündigung wird nicht schon dadurch unzulässig, dass die im Anschluss an die Räumung der Wohnung ausgeführten Renovierungsarbeiten sich über einen längeren Zeitraum erstrecken, der die dafür normalerweise erforderliche Dauer überschreitet. Dem Vermieter steht es auf Grund seines durch Art. 14 I GG geschützten Eigentumsrechts frei, die Wohnung nach seinen Vorstellungen umzugestalten. Ob der Eigentümer die von ihm für notwendig erachteten Arbeiten beschleunigt durchführt oder sich die Arbeiten - etwa auf Grund begrenzter finanzieller Mittel oder wegen der Vornahme von Eigenleistungen - über einen längeren Zeitraum erstrecken, berührt die Wirksamkeit der Eigenbedarfskündigung nicht.
Hiervon zu trennen ist die Frage, ob aus der Dauer der Sanierungsarbeiten - gegebenenfalls in Verbindung mit weiteren Umständen - im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung (§ 286 ZPO ) auf eine von vorneherein fehlende Ernsthaftigkeit der behaupteten Nutzungsabsicht geschlossen werden kann (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 26. 9. 2001, aaO). Darauf hat das BerGer. jedoch nicht abgestellt.
3.
Des weiteren hat das BerGer. zu Unrecht angenommen, der Bekl. trage für das Vorliegen seines ursprünglichen Selbstnutzungswillens die Darlegungsund Beweislast.
a)
Grundsätzlich hat derjenige, der aus einer ihm günstigen Norm Rechte herleitet, deren tatsächliche Voraussetzungen darzulegen und zu beweisen (BGHZ 113, 222, 224 f.; Senatsurteil BGHZ 116, 278, 288; Rosenberg/ Schwab/Gottwald, Zivilprozeßrecht, 16. Aufl., § 114 Rdnr. 7 ff.; Stein/Jonas/ Leipold, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 286 Rdnr. 38 ff.). Dementsprechend ist anerkannt, dass ein Anspruchsteller, der einen Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung geltend macht, die Tatsachen, welche die Pflichtverletzung begründen, als Voraussetzung des Schadensersatzanspruchs darzulegen und im Bestreitensfalle zu beweisen hat (st.Rspr., Senatsurteil vom 20. 6. 1990 - VIII ZR 182/89, NJW-RR 1990, 1422 = WM 1990, 1977, unter II 2 a m.w.Nachw.; Baumgärtel/Laumen, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, Band 1, 2. Aufl., Anh. § 282 Rdnr. 4 ff., 19 ff., 25).
b)
Diese Verteilung der Beweislast gilt entgegen einer in der Rechtsprechung und im Schrifttum zum Teil vertretenen Auffassung (LG Bochum, aaO, m.w.Nachw.; LG Freiburg, WuM 1979, 215; LG Hamburg, NJW-RR 1993, 333; LG Köln, WuM 1993, 195; Barthelmess, 2. WKSchG, 5. Aufl., § 564 b BGB Rdnr. 243; Palandt/Weidenkaff, BGB, 64. Aufl., § 573 Rdnr. 58) auch für den
Schadensersatzanspruch aus positiver Vertragsverletzung, den der Mieter gegen den früheren Vermieter wegen einer auf vorgeschobene Eigenbedarfsgründe gestützten Kündigung geltend macht. Eine sachliche Rechtfertigung dafür, bei diesem Anspruch von dem allgemeinen Grundsatz der Beweislastverteilung abzuweichen, ist nicht gegeben. Der Mieter muss mithin beweisen, dass die vom Vermieter zur Begründung des Eigenbedarfs angegebenen Tatsachen nicht zutreffen, wenn er aus diesem Grund Schadensersatz begehrt.
aa) Für eine Umkehr der Beweislast dahingehend, dass der Vermieter im Schadensersatzprozeß des Mieters den mit der Kündigung behaupteten Eigenbedarf zu beweisen hätte, spricht nicht, dass der Vermieter im Räumungsprozeß gegen den Mieter die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegendes geltend gemachten Eigenbedarfs trägt (so aber LG Freiburg, aaO). Die unterschiedliche Beweislastverteilung ist die Folge der jeweiligen Ansprüche, die im Räumungsprozeß des Vermieters einerseits und im Schadensersatzprozeß des Mieters andererseits geltend gemacht werden. In Übereinstimmung mit dem allgemeinen Beweislastgrundsatz muss der Vermieter das Vorliegen des behaupteten Eigenbedarfs und damit seine Kündigungsberechtigung als Voraussetzung für seinen Räumungsanspruch beweisen, während der Mieter für den von ihm erhobenen Schadensersatzanspruch als dessen Voraussetzung zu beweisen hat, dass der Eigenbedarf vorgeschoben und die Kündigung deshalb unberechtigt war.
bb)
Ferner ist eine Umkehr der Beweislast auch nicht auf Grund des Umstands geboten, dass es sich bei dem fehlenden Selbstnutzungswillen des Vermieters um eine innere, negative Tatsache handelt, deren Nachweis dem Mieter im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten kann (so aber LG Bochum und Barthelmess, jeweils aaO; wohl auch LG Freiburg, aaO). Die Beweislast für auf innere Tatsachen bezogene Voraussetzungen einer Rechtsfolge wird auch im Rahmen anderer materieller Vorschriften des bürgerlichen Rechts der Partei auferlegt, die daraus eine ihr günstige Rechtsfolge herleitet. Dies gilt etwa für den Nachweis der Arglist gem. § 123 BGB (BGH, Urteil vom 13. 5. 1957 - II ZR 56/56, NJW 1957, 988; Baumgärtel/Laumen, aaO, § 123 Rdnr. 1, 3 m.w.Nachw.), der subjektiven Voraussetzungen des § 138 BGB (BGHZ 95, 81, 85; Baumgärtel/Laumen, aaO, § 138 Rdnr. 1 m.w.Nachw.), der Kenntnis des Geschäftsgegners vom Fehlen der Vertretungsmacht nach § 179 III BGB (Staudinger/Schilken, BGB (2004), § 179 Rdnr. 27 m.w.Nachw.) und der Gläubigerbenachteiligungsabsicht nach § 3 I Nr. 1 AnfG a.F. (BGH, Urteil vom 3. 3. 1988 - IX ZR 11/87, NJW-RR 1988, 827 = WM 1988, 799, unter III 3 a). Ebenso trägt der Anspruchsteller grundsätzlich auch die Beweislast für negative Tatsachen (vgl. für das Nichtbestehen eines rechtlichen Grundes gem. § 812 I Satz 1 BGB: BGHZ 128, 167, 171 m.w.Nachw.; allgemein Baumgärtel, Beweislastpraxis im Privatrecht, Rdnr. 331 ff., 344 m.w.Nachw.).
cc)
Der Mieter wird dadurch, dass ihm der Beweis des fehlenden Selbstnutzungswillens des Vermieters auferlegt wird, nicht in unbilliger Weise belastet. Denn der Vermieter darf sich als Anspruchsgegner zur Vermeidung prozessualer Nachteile nicht darauf beschränken, die Behauptung des Mieters, der Vermieter habe im Zeitpunkt der Kündigung die Nutzung der Wohnung nicht ernsthaft beabsichtigt, schlicht zu bestreiten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH obliegt dem Prozeßgegner eine sogenannte sekundäre Behauptungslast, wenn die primär darlegungsbelastete Partei außerhalb des darzulegenden Geschehensablaufs steht und keine Kenntnisse von den maßgeblichen Tatsachen besitzt, während der Prozeßgegner zumutbar nähere Angaben machen kann (BGHZ 145, 170, 184 f.; Senatsurteil vom 3. 2. 1999 - VIII ZR 14/98, NJW 1999, 1404 = WM 1999, 1034, unter II 2 b aa, jew.m.w.Nachw.). Im Rahmen des Zumutbaren kann vom Prozessgegner insbesondere das substantiierte Bestreiten einer negativen Tatsache unter Darlegung der für das Positivum sprechenden Tatsachen und Umstände verlangt werden (BGH, Urteil vom 18. 5. 1999 - X ZR 158/97, NJW 1999, 2887 = WM 1999, 2175, unter 2 c m.w.Nachw.).
Dies gilt auch im Falle des vom Vermieter mit der Kündigung behaupteten, anschließend aber nicht realisierten Eigenbedarfs (so auch LG Frankfurt/Main, WuM 1995, 165). Der Mieter hat in die für den Eigenbedarf geltend gemachten Tatsachen regelmäßig keinen Einblick und kann ohne nähere Darlegung seitens des Vermieters nicht beurteilen, ob dessen Kündigung wegen Eigenbedarfs, die den Mieter zum Auszug veranlaßt hat, berechtigt war. Setzt der Vermieter den behaupteten Selbstnutzungswillen nach dem Auszug des Mieters nicht in die Tat um, so liegt der Verdacht nahe, dass der Eigenbedarf nur vorgeschoben gewesen ist (so auch BVerfG, Beschluss vom 26. 9. 2001, aaO). Unter diesen Umständen ist es dem Vermieter zuzumuten, substantiiert und plausibel („stimmig“, BVerfG, Beschluss vom 30. 5. 1997 - 1 BvR 1797/95, NJW 1997, 2377 = WM 1997, 1293, unter II 1 a zu LG Frankfurt/Main, aaO) darzulegen, aus welchem Grund der mit der Kündigung vorgebrachte Eigenbedarf nachträglich entfallen sein soll (ebenso LG Frankfurt/Main, aaO). Nach der Rechtsprechung des BVerfG ist es unter dem Blickwinkel des Art. 14 GG nicht zu beanstanden, im Falle des nicht verwirklichten Eigenbedarfs dem Vermieter die Darlegungslast für die in seinem Kenntnisbereich liegenden Umstände, die den Sinneswandel bewirkt haben sollen, aufzuerlegen und insoweit strenge Anforderungen zu stellen (BVerfG, Beschluss vom 30. 5. 1997, aaO). Erst wenn der Vortrag des Vermieters dem genügt, obliegt dem Mieter der Beweis für seine Behauptung, dass ein Selbstnutzungswille des Vermieters schon vorher nicht bestanden hatte.dd)
Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass der Bekl. seinen ursprünglichen Selbstnutzungswillen und insbesondere die tatsächlichen
Gründe, die nach dem Auszug der Kl. dazu geführt haben sollen, dass er seinen Selbstnutzungswillen aufgegeben habe, substantiiert und plausibel dargelegt hat. Denn das BerGer. hat seine Entscheidung lediglich mit fehlenden Beweisangeboten des Bekl. für das Vorliegen der ursprünglichen Nutzungsabsicht begründet. Die Beweislast dafür liegt jedoch - wie dargelegt - im Rahmen der vorliegenden Schadensersatzklage nicht beim Bekl.. Vielmehr ist es nun Sache der Kl., ihre Behauptung, der Bekl. habe bereits vor ihrem Auszug nicht beabsichtigt, in die von ihnen gemietete Erdgeschoßwohnung einzuziehen, zu beweisen. Die Kl. haben für ihr Vorbringen auch Beweis angetreten.
4.
Die Entscheidung des BerGer. erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Entgegen der in der Revisionsinstanz vertretenen Auffassung der Kl. ist ihr Vorbringen nicht bereits deshalb als erwiesen anzusehen, weil dafür der Beweis des ersten Anscheins spräche.
Es kann offenbleiben, ob unter bestimmten tatsächlichen Voraussetzungen ein Anscheinsbeweis zugunsten des Mieters dafür sprechen kann, dass der vom Vermieter mit der Kündigung behauptete Eigenbedarf nicht bestand, wenn dieser später nicht verwirklicht wird (dazu LG Berlin, GE 1996, 1487; AG Gießen, WuM 1991, 271; Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, aaO, § 564 b BGB Rdnr. 6 m.w.Nachw.; MünchKommBGB/Häublein, aaO, Rdnr. 111; Schmidt-Futterer/Blank, Mietrecht, 8. Aufl., § 573 Rdnr. 84; Staudinger/Rolfs, aaO, § 573 Rdnr. 176 m.w.Nachw.; zweifelnd OLG Celle, WuM 1984, 5, 6; a.A. LG Frankfurt/Main, aaO). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für einen Beweis des ersten Anscheins jedenfalls nicht erfüllt.
Die Frage, ob ein Anscheinsbeweis eingreift, unterliegt der Prüfung durch das RevGer. (BGHZ 100, 31, 33; BGH, Urteil vom 5. 10. 2004 - XI ZR 210/03, NJW 2004, 3623 = WM 2004, 2309, zur Veröffentlichung in BGHZ 160, 308 bestimmt, unter II 2 b aa). Bedenken bestehen bereits, ob ein Anscheinsbeweis im Bereich individueller Willensentschlüsse überhaupt in Betracht kommt (BGHZ 104, 256, 259 ff.; Musielak/Foerste, ZPO, 4. Aufl., § 286 Rdnr. 30 m.w.Nachw.; vgl. aber auch BGHZ 123, 311, 315 ff.). Die Grundsätze über den Beweis des ersten Anscheins sind jedenfalls nur bei typischen Geschehensabläufen anwendbar, d.h. in Fällen, in denen ein Sachverhalt feststeht, der nach der allgemeinen Lebenserfahrung auf eine bestimmte Ursache oder auf einen bestimmten Ablauf als maßgeblich für den Eintritt eines bestimmten Erfolges hinweist (st.Rspr.; BGH, Urteil vom 5. 10. 2004, aaO, m.w.Nachw.). Ein solcher typischer Geschehensablauf liegt hier nicht vor. Nach der
Lebenserfahrung kann nicht allgemein davon ausgegangen werden, dass ein Vermieter, der - wie der Bekl. - nach einer Kündigung wegen Eigenbedarfs in seiner Wohnung über einen Zeitraum von circa 2 ½ Jahren hinweg Sanierungsarbeiten vornimmt und die Wohnung erst dann neu vermietet, diese anderweitige Nutzung typischerweise bereits vor dem Auszug des Mieters beabsichtigt hatte. Allein der große zeitliche Abstand zwischen der Räumung der Wohnung und deren erneuter Vermietung läßt es nicht, wie es der Anscheinsbeweis voraussetzt, als hinreichend naheliegend erscheinen, dass sich der Beklagte zur Neuvermietung der Wohnung bereits vor dem Auszug der Kl. entschlossen hatte. Ein Vermieter, der von vorneherein eine anderweitige Vermietung beabsichtigt, wird im allgemeinen die notwendigen Sanierungsarbeiten eher zügig durchführen, um einen unnötigen Leerstand der Wohnung zu vermeiden.
III.
Auf die Revision des Bekl. ist das Berufungsurteil aufzuheben, und die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, da es weiterer Feststellungen dazu bedarf, ob der vom Bekl. mit der Kündigung geltend gemachte Eigenbedarf vorgeschoben war (§§ 562 I, 563 I Satz 1 ZPO).