BGH Urteil
Haftung des Erben bei Nachlasspflegschaft
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 25.09.2019 (Az. VIII ZR 138/18) einen nicht ganz alltäglichen Fall entschieden, der miet- und erbrechtlichen Bezug aufweist.
Der ursprüngliche Mieter und verstorbene Bruder des beklagten Erben starb im August 2014. Auf Antrag des Erben wurde durch das zuständige Amtsgericht am 12. November 2015 die sog. Nachlassverwaltung angeordnet. Es handelt sich dabei um eine durch das Nachlassgericht angeordnete Pflegschaft und dient insbesondere bei unübersichtlichem Nachlass der Trennung des eigenen Vermögens des Erben vom Nachlass. Mit der Anordnung der Pflegschaft geht allerdings die Befugnis, über den Nachlass zu verfügen, vom Erben auf den Nachlasspfleger über.
Der Bundesgerichtshof erläutert, dass der Bruder als Erbe grundsätzlich für alle aus dem Mietverhältnis resultierenden Verbindlichkeiten hafte. Auch die erst nach dem Tod des Mieters fällig werdenden Forderungen des Vermieters - vorliegend die Mieten sowie die Nutzungsentschädigung - seien „vom Erblasser herrührende Schulden“ im Sinne des § 1967 Abs. 2 BGB, sogenannte Erblasserschulden. Der Zugriffsmöglichkeit des Vermieters unterliege dabei zunächst sowohl der Nachlass als auch das Eigenvermögen des Erben.
Der Erbe könne allerdings diese grundsätzlich unbeschränkte Haftung mit der Folge beschränken, dass nur noch der Nachlass, nicht jedoch der Erbe mit seinem eigenen Vermögen hafte, § 1975 BGB. Eine Möglichkeit, die durch die Erbschaft eintretende Vermögensverschmelzung zwischen dem ererbten Vermögen und dem Eigenvermögen rückgängig zu machen, sei die hier angeordnete Nachlassverwaltung.
Diese Haftungsbeschränkung erstrecke sich jedoch dem Sinn und Zweck nach nicht auf solche Forderungen, für die der Erbe nicht nur also solcher, sondern auch persönlich hafte. Dies sei konkret bei sog. Nachlasserbenschulden der Fall, also bei solchen Verbindlichkeiten, die der Erbe bei der Verwaltung des Nachlasses eingehe. Handele es sich um einen Fall nicht ordnungsgemäßer Verwaltung des Nachlasses, hafte der Erbe persönlich mit seinem Vermögen.
Hier war fraglich, ob die durch den Erben nicht erklärte Kündigung der Wohnung des verstorbenen Mieters nach § 564 S. 2 BGB eine solche nicht ordnungsgemäße Verwaltungsmaßnahme darstelle, die zu einer Haftung des Bruders als Erben führe. Dies ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs nicht der Fall, der Erbe hafte also nicht für die Miete bzw. Nutzungsentschädigung.
Allein die Nichtausübung des außerordentlichen Kündigungsrechts durch den Erben führe nicht dazu, dass danach fällig werdende Forderungen aus dem Dauerschuldverhältnis Nachlasserbenschulden beziehungsweise Eigenverbindlichkeiten würden. Insbesondere sei allein dem Verstreichenlassen der Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung ein dem stillschweigenden Abschluss eines Mietvertrages gleichzusetzender rechtsgeschäftlicher Erklärungswert nicht beizumessen.
Der Zweck des § 564 S. 2 BGB liege darin, der fehlenden persönlichen (vertraglichen) Verbindung zwischen dem Vermieter und dem Erben Rechnung zu tragen. Trete der bisher nicht in einer solchen Verbindung zum Vermieter stehende Erbe in das Mietverhältnis ein, gewähre § 564 S. 2 BGB jeder Vertragspartei das Recht zur außerordentlichen Kündigung.
Dieses Recht sei jedoch keine Pflicht. Es räume dem Erben lediglich die Möglichkeit ein, sich aus dem Mietverhältnis, in das er eingetreten ist, zu lösen. Eine darüberhinausgehende Zielsetzung, Klarheit darüber zu schaffen, wer künftig und endgültig Schuldner der dem verstorbenen Mieter obliegenden Pflichten sei, wohne der Vorschrift nicht inne. Für eine solche Klarstellung bestehe auch kein Bedürfnis, da die erbrechtlichen Vorschriften die Rechte- und Pflichtenstellung regelten. Die Kündigungsmöglichkeit des § 564 S. 2 BGB schütze somit lediglich die Interessen beider Vertragspartner an Neudispositionen, begründe im Falle ihrer Nichtausübung jedoch nicht die Eigenhaftung des Erben.