BGH Urteil
Vollstreckungsschutz eines zur Räumung verurteilten Mieters beim BGH
Der Bundesgerichtshof stellt fest, dass ein solcher Antrag zwingend von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt werden muss.
Es musste allerdings nicht darüber entschieden werden, ob eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung über den gesetzlichen Wortlaut hinaus geboten war, um effektiven Rechtsschutz zu gewähren. Denn der Antrag war auch unbegründet.
Volltext:
Gründe:
I.
1Der Beklagte ist von dem Amtsgericht mit dem im Tenor genannten für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil zur Räumung und Herausgabe der von ihm bewohnten Wohnung der Klägerin in Berlin verurteilt worden. Die Berufung des Beklagten hat das Landgericht mit Beschluss vom 30. September 2022 nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen.
2Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (ohne Sicherheitsleistung) für vorläufig vollstreckbar erklärt und eine Abwendungsbefugnis gemäß § 711 ZPO nicht ausgesprochen. Einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO hat der Beklagte in der Berufungsinstanz nicht gestellt.
3Mit Schreiben vom 7. November 2022 hat er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalts für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den vorbezeichneten Beschluss des Berufungsgerichts beantragt. Mit Schreiben vom 27. Januar 2023 hat der Beklagte ferner die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt.
II.
41. Der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung gemäß § 522 Abs. 3, § 544 Abs. 7 Satz 2, § 719 Abs. 2 ZPO ist unzulässig, weil er entgegen § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht von einem bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt gestellt worden ist. Der Antrag unterliegt (auch) im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren dem Anwaltszwang nach § 78 Abs. 1 Satz 3 ZPO (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 26. September 2018 – VIII ZR 290/18, NJW-RR 2019, 72 Rn. 3; vom 21. Februar 2018 – XI ZR 547/17, juris Rn. 5; jeweils mwN).
5Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn die Partei – wie hier – für das Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt hat. Aus § 78 Abs. 3 ZPO ergibt sich keine Ausnahme von dem vorbezeichneten Anwaltszwang, da diese Vorschrift über das Prozesskostenhilfeverfahren hinaus nicht auch den Antrag auf Einstellung der Zwangsvollstreckung umfasst (Senatsbeschluss vom 26. September 2018 – VIII ZR 290/18, aaO Rn. 4 mwN).
6Ob die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung über den Wortlaut von § 544 Abs. 7 Satz 2 ZPO und § 719 Abs. 2 ZPO hinaus zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes bereits während der Dauer des Verfahrens auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt noch einzulegende Nichtzulassungsbeschwerde zulässig sein kann, bedarf keiner Entscheidung (vgl. Senatsbeschluss vom 26. September 2018 – VIII ZR 290/18, aaO Rn. 5).
72. Denn der Antrag des Beklagten auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung ist jedenfalls unbegründet. Nach § 719 Abs. 2 ZPO kann das Revisionsgericht die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus einem für vorläufig vollstreckbar erklärten Urteil anordnen, wenn die Vollstreckung dem Schuldner einen nicht zu ersetzenden Nachteil bringen würde und nicht ein überwiegendes Interesse des Gläubigers entgegensteht. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
8a) Nicht unersetzlich sind Nachteile, die der Schuldner selbst vermeiden kann. Deswegen kann er sich nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur dann darauf berufen, die Zwangsvollstreckung bringe ihm einen nicht zu ersetzenden Nachteil, wenn er in der Berufungsinstanz einen Vollstreckungsschutzantrag nach § 712 ZPO gestellt hat. Hat der Schuldner dies versäumt, kommt eine Einstellung der Zwangsvollstreckung nach § 719 Abs. 2 ZPO nur ausnahmsweise dann in Betracht, wenn es dem Schuldner im Berufungsverfahren aus besonderen Gründen nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen Vollstreckungsschutzantrag zu stellen (st. Rspr.; vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2018 – VIII ZR 146/18, NJW-RR 2019, 589 Rn. 5; vom 26. September 2018 – VIII ZR 290/18, NJW-RR 2019, 72 Rn. 7; jeweils mwN).
9Der Beklagte hat in der Berufungsinstanz einen Antrag nach § 712 ZPO nicht gestellt. Es ist auch nicht ersichtlich, dass es ihm nicht möglich oder nicht zumutbar war, einen solchen Antrag zu stellen.
10b) Dass das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO hätte einräumen müssen, weil seine Entscheidung mit der Nichtzulassungsbeschwerde anfechtbar war (§ 522 Abs. 3 ZPO) und somit die – von ihm offensichtlich angenommenen – Voraussetzungen des § 713 ZPO nicht vorlagen, ist unbeachtlich. Ein Vollstreckungsschutzantrag des Beklagten nach § 712 ZPO wäre auch dann nicht entbehrlich gewesen, weil die Abwendungsbefugnis des Schuldners nach § 711 Satz 1 ZPO entfällt, wenn der Gläubiger seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit leistet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 7. Dezember 2018 – VIII ZR 146/18, aaO Rn. 7; vom 27. Februar 2018 – VIII ZR 39/18, juris Rn. 9; jeweils mwN). Denn der bei der Räumungsvollstreckung einer Wohnung regelmäßig drohende unersetzliche Nachteil, der (endgültige) Verlust der Wohnung als der bisherige Lebensmittelpunkt des Schuldners, der wegen zwischenzeitlicher Verfügungen oder Veränderungen durch den Gläubiger meist nicht mehr rückgängig zu machen ist, kann durch eine Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO nicht verhindert werden (Senatsbeschluss vom 7. Dezember 2018 – VIII ZR 146/18, aaO mwN).