Neutral
Aktenzeichen: VIII ZR 180/18 VIII ZR 167/17
Urteil vom: 22.05.2019

Wann kann ein Mieter nach einer ordentlichen Kündigung wegen Eigenbedarfs durch den Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses wegen unzumutbarer Härte verlangen? Die Mieter hatten insbesondere hohes Alter und Krankheit vorgebracht. Der Bundesgerichtshof hat dazu in seinen Urteilen vom 22.05.2019 (Az. VIII ZR 180/18 und VIII ZR 167/17) ausführliche Vorgaben gemacht.

Da sowohl auf Seiten des Vermieters wie auf Seiten des Mieters grundrechtlich geschützte Belange (Eigentum, Gesundheit) betroffen seien, sei eine umfassende Sachverhaltsaufklärung sowie eine besonders sorgfältige Abwägung erforderlich, ob im jeweiligen Einzelfall die Interessen des Mieters an der Fortsetzung des Mietverhältnisses diejenigen des Vermieters an dessen Beendigung überwiege (§ 574 Abs. 1 BGB).

Allgemeine Fallgruppen, etwa ein bestimmtes Alter des Mieters oder eine bestimmte Mietdauer, ließen sich nicht bilden. So würden sich etwa die Faktoren Alter und lange Mietdauer mit einer damit einhergehenden Verwurzelung im bisherigen Umfeld je nach Persönlichkeit und körperlicher sowie psychischer Verfassung des Mieters unterschiedlich stark auswirken und rechtfertigten deshalb ohne weitere Feststellungen zu den sich daraus ergebenden Folgen im Fall eines erzwungenen Wohnungswechsels grundsätzlich nicht die Annahme einer Härte im Sinne des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB.

Die Gerichte seien daher in der Regel angehalten, sich mittels sachverständiger Hilfe ein genaues und nicht nur an der Oberfläche haftendes Bild davon zu verschaffen, welche gesundheitlichen Folgen im Einzelnen mit einem Umzug verbunden seien, insbesondere welchen Schweregrad zu erwartende Gesundheitsbeeinträchtigungen voraussichtlich erreichen werden und mit welcher Wahrscheinlichkeit dies eintreten könne. Es verbiete sich also, dass die Gereichte schematisch vorgingen. 

Nur eine solche Aufklärung versetze die Gerichte in die Lage, eine angemessene Abwägung bei der Härtefallprüfung des § 574 Abs. 1 Satz 1 BGB vorzunehmen.

Das bedeutet das Urteil für Vermieter: Vermieter werden in der Regel länger auf eine Räumung warten müssen, da sich der Rechtsstreit durch Einholung von Sachverständigengutachten verlängern wird. Die Gerichte werden jedoch angehalten, nicht nach vorgegeben Fallgruppen zu urteilen, was letztlich der Einzelfallgerechtigkeit zugute kommt. 

Sie haben Fragen oder finden ein Urteil nicht?

Als Mitglied erhalten Sie kostenfreie telefonische Beratung in Sachen Mietrecht (ausgenommen Online-Mitgliedschaft). Im Gegensatz zu einer Versicherung helfen wir Ihnen auch wenn es zu spät ist, also ohne Wartezeit betreffend den Sachverhalt. Bundesweit, bereits ab 6 € im Monat. Aber auch als Nichtmitglied kann Ihnen unkompliziert geholfen werden.

Telefonische Beratung

Kostenlose Beratung für Mitglieder

Mitglieder-Hotline
deutsches Festnetz*
Nichtmitglieder-Hotline
Für Nichtmitglieder: 1,99 €/min* Kosten aus dem Mobilfunknetz können abweichen