BGH Urteil

Verjährung: Keine Höchstfrist von 30 Jahren für Schadensersatzansprüche des Vermieters

Positiv für Vermieter
Aktenzeichen: VIII ZR 132/20
Urteil vom: 31.08.2022

Schadensersatzansprüche wegen Veränderungen oder Verschlechterungen der Mietsache verjähren gemäß § 548 Abs. 1 S. 1 BGB innerhalb von sechs Monaten ab Rückerhalt der Mietsache vom Mieter.

Nach Urteil des Bundesgerichtshofs vom 31.08.2022 (Az. VIII ZR 132/20) stellt dies eine abschließende Sonderregelung dar. Das bedeutet, dass die allgemeine Regelung des § 199 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 BGB keine Anwendung findet, so dass eine Anspruchsverjährung nicht vor Rückgabe der Mietsache und auch nicht nach dem Ablauf der ansonsten allgemeingültigen Verjährungsfrist von 30 Jahren eintreten kann.


Sachverhalt

Im konkreten Fall statteten die Mieter das Badezimmer bereits im Jahr 1984 mit einem Fliesenboden nebst Bodenabfluss aus. 

Die Arbeiten wurden jedoch mangels Dichtung unterhalb der Fliesen nicht fachgerecht ausgeführt, so dass die darunter liegenden Dachbalken über die Jahre durch Feuchtigkeit beschädigt wurden und die Decke der darunterliegenden Wohnung einsturzgefährdet war.


Mietrechtliche Verjährung als Sonderregelung vorrangig

Der Bundesgerichtshof führt aus, dass der von der Mieterseite erhobene Einwand der Verjährung nicht durchgreife. 

Die Anwendung der Verjährungshöchstfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB scheide neben der vorrangigen Sonderregelung des § 548 Abs. 1 BGB aus.

Die von § 548 Abs. 1 Satz 1 BGB vorgesehene Verjährung von sechs Monaten beginne mit dem Zeitpunkt, in dem der Vermieter die Mietsache zurückerhalte. Zwar verjährten nach § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB Schadensersatzansprüche unter anderem aus der Verletzung des Eigentums ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Pflichtverletzung an. Diese Bestimmung sei jedoch nicht anwendbar.

§ 548 BGB enthalte für mietrechtliche Ansprüche eine abschließende Sonderregelung, die der allgemeinen Bestimmung vorgehe.


Entstehungsgeschichte der Vorschrift

Bereits der Wortlaut des § 548 Abs. 1 BGB deute darauf hin, dass es sich um eine abschließende Regelung der Verjährung mietvertraglicher Ersatzansprüche des Vermieters wegen Veränderung oder Verschlechterung der Mietsache handele. 

Auch habe der historische Gesetzgeber das Problem bereits erkannt und ausdrücklich in den Gesetzesmaterialien die „praktisch ganz unbedenkliche“ Folge angeführt, dass ein Anspruch noch 30 Jahre nach seiner Entstehung geltend gemacht werden könne.


Systematik sowie Sinn und Zweck

Darüber hinaus habe der Gesetzgeber die allgemeinen Regeln des § 199 BGB „vor die Klammer“ gezogen, wodurch zum Ausdruck komme, dass diese Bestimmungen nur Anwendung finden sollen, soweit hiervon gesetzlich nichts Abweichendes bestimmt sei.

Zwar beruhe die Verjährung auf den Gedanken des Schuldnerschutzes, des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit. Sie solle den Schuldner davor schützen, wegen länger zurückliegender Vorgänge in Anspruch genommen zu werden, die er nicht mehr aufklären könne, weil ihm Beweismittel oder Zeugen nicht mehr zur Verfügung stünden.

Allerdings habe der Gesetzgeber sich - auch um das Mietverhältnis nicht unnötig zu belasten - dafür entschieden hat, Rechtsfrieden und Rechtssicherheit nach Maßgabe des § 548 Abs. 1 BGB dadurch herzustellen, dass er die Verjährung - unabhängig von der Entstehung des Anspruchs - einerseits erst an die Rückgabe der Mietsache geknüpft hat, die Verjährungsfrist andererseits aber - unabhängig von der Entstehung des Anspruchs - auf sechs Monate beschränkt habe, statt eine Regelverjährung gemäß § 195 BGB vorzusehen. 

Gerade im Interesse der Rechtssicherheit, der Rechtsklarheit und des Rechtsfriedens wolle der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Regelung des § 548 Abs. 1 BGB zeitnah zur Rückgabe der Mietsache eine möglichst schnelle Klärung über bestehende Ansprüche im Zusammenhang mit dem Zustand der Mietsache erreichen.


Der Beginn der kurzen Verjährung setzt Besitz des Vermieters voraus

Dazu müsse der Vermieter aber in die Lage versetzt werden, sich durch Ausübung der unmittelbaren Sachherrschaft über die Mietsache ungestört ein umfassendes Bild von etwaigen Mängeln, Veränderungen und Verschlechterungen zu machen. 

Der zentrale Gesetzeszweck, den Vermieter zu einer möglichst raschen Klärung seiner Ersatzansprüche anzuhalten, sei daher ausdrücklich an den Rückerhalt der Mietsache geknüpft. 

Diese gesetzgeberische Wertung würde unterlaufen, wenn eine Verjährung von Ansprüchen im Anwendungsbereich des § 548 Abs. 1 BGB bereits in solchen Fällen eintreten könne, in denen die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BGB bereits verstrichen sei, bevor der Vermieter die Mietsache zurückerhalten habe.


Urteilszusammenfassung im Video:


Volltext der Entscheidung

BGH, Urteil vom 31.08.2022, Az. VIII ZR 132/20
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