Instanz-Urteil im Mietrecht

Schadensersatz wegen vorzeitiger Kündigung der Ehewohnung durch den Ehegatten

Positiv für Vermieter
Aktenzeichen: 43 F 34/21
Urteil vom: 07.10.2021
Amtsgericht Münster, Beschluss vom 07.10.2021, Az. 43 F 34/21

Tenor:

1. Der Antrag wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.

Gründe:


I.


Die Antragstellerin verlangt vom Antragsgegner die Zahlung von Schadensersatz.


Die Beteiligten waren miteinander verheiratet. Ihre im Jahre 1995 geschlossene Ehe wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Münster vom 21.03.2019 geschieden (Az. 43 F 25/17). Aus ihrer Ehe sind zwei 1996 und 1999 geborene Söhne hervorgegangen.


Während der Ehezeit bewohnten die Beteiligten mit ihren beiden Söhnen eine Wohnung in der pp. in Münster, bestehend aus vier Zimmern, Küche, Diele, Bad, WC, Balkon und Kellerraum. Eigentümer und Vermieter dieser Wohnung waren die Eltern des Antragsgegners. Alleiniger Mieter dieser Wohnung war aufgrund Mietvertrags vom 01.10.1994 der Antragsgegner.


Im Januar 2016 trennten sich die Beteiligten. Der Antragsgegner zog noch im Januar 2016 aus der gemeinsamen Wohnung aus, die die Antragstellerin weiterhin mit beiden Söhnen bewohnte. Mit Schreiben vom 11.02.2016 kündigte der Antragsgegner die Wohnung zum 31.05.2016. Im Anschluss daran schloss der Antragsgegner am 16.04.2016 mit seinen Eltern als Vermieter noch einen Zeitmietvertrag befristet bis zum 31.07.2017. Mit Schreiben vom 17.11.2017 sprach der Antragsgegner dann die ordentliche Kündigung des Mietvertrages zum 25.02.2018 gegenüber seinen Eltern als Vermietern aus. Die Vermieter bestätigten die Kündigung mit Schreiben vom 24.11.2017 und widersprachen einer Fortsetzung des Mietverhältnisses. Am 07.03.2018 wurde die Antragstellerin von den Vermietern zur Räumung und Herausgabe der Wohnung pp. in Münster bis zum 22.03.2018 aufgefordert. Die Antragstellerin zog jedoch nicht aus. Der anschließend von den Vermietern erhobenen Räumungsklage vom 11.04.2018 vor dem Amtsgericht Münster wurde mit Urteil vom 09.08.2018 stattgegeben (Az. 55 C 1002/18). Die hiergegen gerichtete Berufung der Antragstellerin wurde mit Beschluss des Landgerichts Münster vom 13.11.2018 zurückgewiesen (Az. 01 S 75/18). Zum 01.03.2019 hat die Antragstellerin eine neue Wohnung unter der im Rubrum des Beschlusses angegebenen Adresse in Münster angemietet, die sie nach wie vor bewohnt. In einem ab September 2019 zwischen der früheren Vermieterin und der Antragstellerin dieses Verfahrens geführten Verfahren vor dem Amtsgericht Münster verlangte die Mutter des Antragsgegners als frühere Vermieterin von der Antragstellerin die Zahlung einer Nutzungsentschädigung und Schadensersatz aufgrund der nicht erfolgten Räumung der Wohnung (Az. 96 C 2898/19). Dieses Verfahren endete mit einem Vergleich am 05.02.2020, in dem sich die Antragstellerin verpflichtete, 3.700 € an die Klägerin zu zahlen.


Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass der Antragsgegner mit den Kündigungen des Mietverhältnisses der Wohnung vom 11.02.2016 und 17.11.2017 gegen das Wohlverhaltensgebot des § 1361b Abs. 3 S. 1 BGB verstoßen habe. Aufgrund dieser Pflichtverletzung sei er ihr gegenüber gemäß § 823 Abs. 2 BGB zum Schadensersatz verpflichtet.


Die Antragstellerin behauptet, dass ihr durch den Umzug von der in die Wohnung am pp. ein Schaden in Höhe von insgesamt 14.895,40 € entstanden sei. Ihre Söhne sowie eine weitere am Umzug beteiligte Person und sie selbst hätten für das Einpacken, das Renovieren und den Umzug selber insgesamt 502 Stunden benötigt; es seien Kosten von 15 € je Stunde angefallen. Weitere, von der Antragstellerin näher aufgeführten Kosten hätten sich unter anderem für die Miete eines Umzugswagens nebst Anhänger, für Halteverbotsschilder der Stadt Münster und für das Tanken der für den Umzug benötigten Kfz ergeben. Für den durch den Umzug verlängerten Weg zu ihrer Arbeitsstelle müsse sie zudem nunmehr einen Bus benutzen. Dadurch entstünden ihr Kosten in Höhe von monatlich 47,50 € für eine Busfahrkarte. Außerdem müsse sie für die neue Wohnung am in Münster im Verhältnis zur früheren Wohnung eine höhere Kaltmiete pro Quadratmeter zahlen. Auf die von der Antragstellerin in der Antragsschrift angestellten Berechnungen zur Höhe ihres Schadens wird Bezug genommen.


Die Antragstellerin beantragt,


1. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie einen Betrag von 14.895,40 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.09.2020 zu zahlen;


2. den Antragsgegner zu verpflichten, an sie einen Betrag von 1.100,51 € an vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten zu zahlen.


Der Antragsgegner beantragt,


diese Anträge zurückzuweisen.


Der Antragsgegner vertritt die Ansicht, dass er durch die von ihm ausgesprochenen Kündigungen keine Pflichtverletzungen begangen habe. Er bestreitet die einzelnen von der Antragstellerin aufgeführten Schadenspositionen. Der Antragsgegner hält insbesondere den geltend gemachten zeitlichen Umfang von rund 500 Stunden für die Durchführung des Umzugs für übersetzt.


Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Verhandlungsprotokoll vom 09.09.2021 Bezug genommen. Die Akte des Amtsgerichts Münster 96 C 2898/19 ist zu Informationszwecken beigezogen worden. Die Akte des Scheidungsverfahrens 43 F 25/17 lag ebenfalls zu Informationszwecken vor.


II.


Der Antrag ist zulässig, jedoch unbegründet.


Ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner gemäß § 1361b Abs. 3 BGB i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB besteht nicht. Der Antragstellerin ist kein ersatzfähiger Schaden im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB entstanden.


Bei der hier relevanten Regelung des § 1361b Abs. 3 BGB handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. Gemäß § 1361b Abs. 3 S. 1 BGB hat der Ehegatte, der im Rahmen der Trennung aus der bisherigen Ehewohnung ausgezogen ist und dem anderen Ehegatten die Wohnung überlassen hat, alles zu unterlassen, was geeignet ist, die Ausübung des Nutzungsrechts des in der Wohnung zurückbleibenden Ehegatten zu erschweren oder zu vereiteln. Der im Falle einer Trennung der Ehegatten in der Wohnung zurückbleibende Ehegatte soll genügend Zeit haben, um sich an die – für ihn möglicherweise überraschend eingetretenen – geänderten Lebensverhältnisse gewöhnen und damit arrangieren zu können, ohne die bisherige Ehewohnung verlassen zu müssen. Daneben dient die Regelung des § 1361 b Abs.1 BGB der Verwirklichung bzw. Ermöglichung des Getrenntlebens als notwendiger Voraussetzung für die Durchführung eines Scheidungsverfahrens. Zum Schutze des Nutzungsrechts des zurückbleibenden Ehegatten kann das Familiengericht nach § 209 Abs. 1 FamFG auf dessen Antrag unter anderem eine Überlassungsfrist und ein Betretungsverbot der Wohnung, aber auch ein Kündigungsverbot für den ausziehenden Alleinmieter anordnen (vgl. Beck-online.Großkommentar, § 1361b Rn.198; MüKo, 8. Aufl. 2019, § 1361b, Rn. 16).


Die Ehewohnung verliert ihren Charakter als Ehewohnung nicht durch den Auszug eines Ehegatten. Sie bleibt Ehewohnung während der gesamten Trennungszeit (vgl. Beck-online, Großkommentar, § 1361b Rn. 49, BGH FamRZ 2017,22 ff.). Mit Rechtskraft des Beschlusses in der Scheidungssache verliert die Wohnung jedoch ihre Eigenschaft als Ehewohnung (vgl. Beck-online.Großkommentar, § 1361b Rn.66).


Jedenfalls mit der Kündigung des Mietvertrages für die Wohnung im Februar 2016 hat der Antragsgegner gegen das Wohlverhaltensgebot im Hinblick auf das sich aus § 1361 b Abs. 3 BGB ergebende Nutzungsrecht der Antragstellerin an der Ehewohnung verstoßen. Ob auch die zweite Kündigung des ursprünglich befristeten Mietvertrages einen Verstoß gegen § 1361b Abs. 3 BGB darstellt, kann hier dahinstehen. Dem außergerichtlich geführten Schriftverkehr der damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin lässt sich entnehmen, dass zwischen den Beteiligten eine Verabredung dahingehend getroffen wurde, dass die Antragstellerin noch bis zum Sommer 2017 mit dem jüngsten Sohn der Beteiligten in der Wohnung wohnen können sollte, da der Sohn noch bis zum Sommer 2017 die Schule besuchen würde. Entsprechende Überlegungen und eine Vereinbarung zur Befristung des damaligen Mietvertrages bis zum Ende des Schulbesuchs des jüngsten Sohnes sind von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung am 09.09.2021 bestätigt worden. Dafür spricht auch die Befristung des vom Antragsgegner im April 2016 mit seinen Eltern abgeschlossenen Mietvertrages zum 31.07.2017. Vor diesem Hintergrund ist es bereits fraglich, ob der Antragsgegner mit der zweiten Kündigung im November 2017 gegen das Wohlverhaltensgebot verstoßen hat. Zudem hat die Antragstellerin trotz des möglichen Verstoßes des Antragsgegners gegen das Wohlverhaltensgebot zu keiner Zeit die Anordnung von Schutzmaßnahmen nach § 209 FamFG beantragt.


Jedenfalls hat ein Verstoß des Antragsgegners gegen das Wohlverhaltensgebot des § 1361b Abs. 3 BGB durch eine verfrühte Kündigung der bisherigen Ehewohnung nicht zu einem Schaden der Antragstellerin im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB geführt. Zumindest stellen die von der Antragstellerin aufgeführten Schadenspositionen keinen ersatzfähigen Schaden im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar.


Zur Begründung eines Schadensersatzanspruches nach § 823 Abs. 2 BGB muss sich gerade das Risiko verwirklicht haben, vor dem das Gesetz schützen will. Der Schutzbereich des § 1361b Abs. 3 BGB, das ungestörte Wohnen des verlassenen Ehegatten, ist hier auf den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Scheidung begrenzt. Diese Regelung schützt den in der Ehewohnung zurückbleibenden Ehegatten also nicht davor, spätestens nach der Scheidung aus der früheren Ehewohnung ausziehen und sich dann eine neue Wohnung anmieten zu müssen.


Der Scheidungsantrag, der damals vom Antragsgegner dieses Verfahrens im Februar 2017 erhoben wurde, wurde den damaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin im März 2017 zugestellt. Bereits zuvor war zwischen den früheren Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten über die weitere Nutzung der Wohnung durch die Antragstellerin korrespondiert worden. Die Antragstellerin musste sich allein deshalb darüber im Klaren sein, dass sie nicht dauerhaft in der bisherigen Wohnung verbleiben konnte. Aufgrund des im Jahre 2018 geführten Räumungsprozesses konnte die Antragstellerin nicht von einer Fortsetzung des Mietverhältnisses zwischen ihr und den Eltern des Antragsgegners ausgehen. Spätestens nach Rechtskraft der Scheidung hätte der Antragsgegner die Wohnung kündigen können und die Antragstellerin sich eine neue Wohnung anmieten müssen. Dass die Antragstellerin hier bereits einige Wochen vor dem Scheidungstermin eine neue Wohnung angemietet hat, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die der Antragstellerin mit dem Umzug im Zeitraum Februar/März 2019 entstandenen Kosten wären sowieso angefallen, unabhängig vom Zeitpunkt des Umzugs. Sämtliche von der Antragstellerin geltend gemachten Schadenspositionen stellen keinen Schaden im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB dar, da sie sowieso entstanden wären. Ein ersatzfähiger Schaden liegt dann nicht vor, wenn der - vermeintlich - Geschädigte eine tatsächliche oder rechtliche Position verliert, deren Beibehaltung er nicht beanspruchen kann (Palandt, BGB, 75. Auflage, Vorbemerkung zu § 249 Rn. 31). Das ist hier der Fall und betrifft sämtliche von der Antragstellerin geltend gemachten Schadenspositionen: Eigenleistung der Umzugshelfer, Miete für Umzugswagen und Anhänger, Umzugsschilder für die Straße, Tankkosten, Spanngurte Möbeltransport, Müllentsorgung einschließlich Kosten Müllsäcke, Nachsendeauftrag Post, Kosten der Renovierung in der neuen Wohnung und Kosten für eine neue Einbauspüle, einen neuen Duschvorhang sowie eine neue Küchenplatte und einen Dunstabzug.


Angesichts des Zeitablaufs von mehr als 20 Jahren zwischen Abschluss des Mietvertrages für die Wohnung im Jahre 1994 und Anmietung einer neuen Wohnung durch die Antragstellerin Anfang 2019 ist es Ausfluss der allgemeinen Preisentwicklung am Mietwohnungsmarkt, dass Neuvermietungen nur zu höheren Quadratmeterpreisen vorgenommen werden, als dies früher der Fall gewesen ist. Dementsprechend stellen auch die höheren Mietkosten der neuen Wohnung der Antragstellerin keinen ersatzfähigen Schaden dar. Auch aus der größeren Entfernung der neuen Wohnung zum Arbeitsplatz der Antragstellerin und den damit verbundenen Fahrtkosten lassen sich keine Ansprüche gegen den Antragsgegner herleiten.


Da ein Schadensersatzanspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner nicht besteht, entfällt auch ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf Zahlung vorprozessual entstandener Rechtsanwaltsgebühren.


Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Sie haben Fragen oder finden ein Urteil nicht?

Als Mitglied erhalten Sie kostenfreie telefonische Beratung in Sachen Mietrecht. Im Gegensatz zu einer Versicherung helfen wir Ihnen auch wenn es zu spät ist, gleich nach Ihrer Registrierung. Bundesweit, bereits ab 6 € im Monat.Aber auch als Nichtmitglied kann Ihnen unkompliziert geholfen werden.

Telefonische Beratung

Kostenlose Beratung ab Basis-Mitgliedschaft

Mitglieder-Hotline
*deutsches Festnetz
Nichtmitglieder-Hotline
*1,99 €/Min; mobil abweichend