Kündigungsschutz COVID-19: Nur Beweiserleichterung
Der Mieter muss nach der gesetzlichen Regelung in Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB glaubhaft machen, dass er die Miete aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie nicht zahlen kann, um eine wirksame Kündigung wegen Zahlungsverzugs durch den Vermieter für die Monate April, Mai und Juni 2020 auszuschließen.
Das Amtsgericht Hanau hat sich in seinem Urteil vom 31.07.2020 (Az. 32 C 136/20) ausführlich mit der Frage beschäftigt, was dies prozessual für den Mieter im Rechtsstreit bedeutet. Die praktische Umsetzung der Vorschrift war und ist umstritten.
Mieter leistet Miete aufgrund Kurzarbeit nicht
Im konkreten Fall wurde zwischen den Parteien im Januar 2020 ein Mietvertrag über ein Einfamilienhaus vereinbart. Die Miete betrug monatlich brutto 1.500,00 €. Der Mieter hat die Mieten für die Monate April, Mai und Juni 2020 nicht geleistet. Er hat vorgetragen, er hätte die Miete aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht zahlen können. Sein Arbeitgeber habe ab April 2020 Kurzarbeit angeordnet, weshalb er nur ein verringertes Gehalt erhalten habe. Unter dem 8.6.2020 hat der Kläger die fristlose Kündigung des Mietvertrages wegen Zahlungsverzugs erklärt und setzt die Räumung erfolgreich gerichtlich durch.
Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB: Ausschluss der Kündigung bei Glaubhaftmachung durch den Mieter
Das Amtsgericht führt eingangs selbst aus: „Es ist allerdings unklar, welche prozessuale Systematik der Norm insoweit zugrunde liegt und daher ggf. weitere Hinweise erforderlich gewesen wären, insbesondere dahingehend, dass der Vortrag glaubhaft zu machen sei oder zumindest glaubhaft gemacht werden könne.“.
Nach dem Wortlaut des Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB habe der Mieter den Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und der Nichtleistung glaubhaft zu machen.
Das könne so zu verstehen sein, dass der Mieter die Behauptung der Ursächlichkeit im Wege der Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO, insbesondere über eine Versicherung an Eides statt, erbringen könne und so bereits eine erfolgreiche Geltendmachung des Kündiungsmoratoriums möglich wäre.
Das Amtsgericht kommt jedoch zu dem Schluss, dass Art. 240 § 2 Abs. 1 S. 2 EGBGB so nicht zu verstehen sei, sondern lediglich eine Beweiserleichterung im Sinne des § 252 S. 2 BGB anordne.
Keine Glaubhaftmachung durch den Mieter erforderlich
Das Rechtsinstitut der Glaubhaftmachung sei an dieser Stelle im materiell- und verfahrensrechtlichen Kontext der Norm sowie des Hauptsacheverfahrens bereits systemfremd. Es sei daher kein prozessuales Beispiel einer Ausgestaltung vorhanden.
Die Gesetzesmaterialien selbst verwiesen lediglich auf § 294 ZPO, was über den Inhalt dessen, was glaubhaft zu machen sei sowie den Verfahrensgang keine Erkenntnisse liefere.
Der Abgeordnete des Deutschen Bundestages J.-M. L. hingegen betone in der Plenaraussprache den Schutz der Vermieterinteressen, denen durch den Kündigungsausschluss Erhebliches zugemutet werde. Daher sei es geboten, „dass die Mieterinnen und Mieter nachweisen und glaubhaft machen müssen, dass sie wirklich aufgrund von Corona in diese wirtschaftliche Notlage gekommen sind und deswegen ihre Mietzahlungen nicht leisten können.“ Das stehe einer Verfahrenserleichterung des Mieters aber gerade entgegen.
Beweiserleichterung: Ursächlichkeit der Pandemie für Mietzahlungsverzug wird vermutet
Die Vorschrift verlange vom Mieter, die „Ursächlichkeit“ der Covid-19-Pandemie für die Nichtzahlung der Miete glaubhaft zu machen.
Der Mieter könne aber ohnehin nur die bei ihm eingetretenen Folgen vortragen, während sodann dem Gericht der Schluss obliege, ob sich aus diesen eine Ursachenkette zwischen dem Ausbruch der Covid-19-Pandemie, den sodann - vom Mieter im Prozess vorzutragenden und ggf. zu beweisenden - bei ihm eingetretenen Folgen und der wiederum hierdurch bedingten Nichtleistung der Miete ergebe. Ein Vortrag der Ursächlichkeit selbst sei dem Mieter aber per se unmöglich. Die "Glaubhaftmachung" durch den Mieter müsse sich daher auf die von ihm selbst vorzutragenden Tatsachen, aus denen sich die Ursächlichkeit schließen lässt, beziehen.
Hier zeige sich, dass der Gesetzgeber tatsächlich etwas gänzlich anderes meine, jedoch fälschlicher Weise glaubte, dieses Ziel über eine Glaubhaftmachung nach § 294 ZPO verwirklichen zu können.
Glaubhaftmachung widerspricht Ziel des Gesetzgebers
Dass der Mieter bei ihm infolge der Pandemie eingetretene Umstände glaubhaftmachen könnte oder müsste, wäre schon deshalb abwegig, weil es auch nach der Gesetzesbegründung überhaupt keinen Grund gebe, ihn insoweit von den allgemeinen Beweiserfordernissen des Hauptsacheverfahrens der §§ 355 ff. ZPO zu befreien.
Weder dieser noch der Plenaraussprache ist zu entnehmen, der Mieter bedürfe einer Beweiserleichterung dahingehend, beispielsweise die Anordnung von Kurzarbeit im Falle des Bestreitens über eine Versicherung an Eides statt zu belegen. Ebenso wenig ist eine solche Annahme aus dem gesetzgeberischen Willen zu schließen. Zwar nennt die Begründung Typisierungen, meine damit aber unverkennbar, dass aus diesen die Ursächlichkeit der Nichtzahlung - und damit das eigentliche Nachweisproblem - zu schließen sei. Diese Folge wollte der Gesetzgeber anordnen.
Der Vermieter habe zudem die Möglichkeit, der glaubhaft gemachten Behauptung des Mieters entgegenzutreten und diese zu entkräften, wodurch der vermeintliche Vorteil des Mieters wieder hinfällig würde. Zudem wären gem. § 294 Abs. 2 ZPO nur Beweisaufnahmen möglich, die sofort durchgeführt werden können, was die Prozessführung des Mieters deutlich beschränke, wenn er andere Mittel der Glaubhaftmachung nicht zeitnah heranbringen könne.
Gesetzeswortlaut ist der Eile des Gesetzgebers geschuldet
Das sei alles vor dem Hintergrund des in größter Eile betriebenen Gesetzgebungsverfahren erklärbar, zumal der Gesetzgeber für sich selbst nicht in Anspruch nehme, ein umfassend durchdachtes Gesetzeskonstrukt erstellt zu haben. Der Gesetzgeber habe also tatsächlich eine § 287 ZPO ergänzende Beweiserleichterung im Sinne des § 252 Satz 2 BGB begründen wollen.
Eine Partei, die im Zuge des Verfahrens Eintritt und Ursächlichkeit der begehrten Rechtsfolge (dort: Entgangener Gewinn) nachweisen müsse, könne sich hierfür auf die Behauptung (und im Falle des Bestreitens ggf. Nachweis) von Anknüpfungstatsachen beschränken, bei deren Vorliegen die in § 252 Satz 2 BGB geregelte Vermutung eingreife. Für die Anknüpfungstatsachen selbst würden dann die allgemeinen Beweisregeln und -erfordernisse gelten.
Fazit
Die Regelung in Art. 240 § 2 Abs. 1 Satz 2 EGBGB sei notwendig, weil § 252 S. 2 BGB hier keine Anwendung finde.
Der Mieter müsse daher die Ursächlichkeit zwischen der Covid-19-Pandemie und einer Nichtleistung der Mieten beweisen und könne hierfür auf typisierte und in der Gesetzesentwurfsbegründung auch beispielhaft genannte Tatsachen, also Anknüpfungspunkte, zurückgreifen (zB Jobverlust, Kurzarbeit, usw.). Gelinge dieser Beweis, werde die Ursächlichkeit widerleglich vermutet, was dem eigentlichen Willen des Gesetzgebers entspreche.