Mietrechtsreform
Das Bundesjustizministerium hatte am 17.11.2011 den Gesetzentwurf zur Mietrechtsreform an Länder und Verbände weitergeleitet.
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger erklärte dazu: „Die Bundesregierung baut die Förderung energetischer Modernisierungen aus und setzt sich für verbesserte steuerliche Rahmenbedingungen ein. Ein modernes Mietrecht ist ein weiterer Mosaikstein für die Energiewende. Für Ressourcenschonung und Klimaschutz müssen alle ihren Beitrag leisten. Die geplante Mietrechtsänderung verteilt Nutzen und Lasten energetischer Modernisierungen ausgewogen auf Vermieter und Mieter. Energetische Modernisierungen werden erleichtert, der soziale Mieterschutz bleibt gewahrt.“
Weitere Ziele der Reform sind, die Umstellung des Vermieters auf die gewerbliche Wärmelieferung – das sog. Contracting – auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, den Schutz gegen „Mietnomaden“ zu verbessern und die Umgehung des Kündigungsschutzes bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen durch das „Münchener Modell“ zu verhindern.
Im Einzelnen:
- Erleichterung der Energetische Modernisierung
- Wärmecontracting
- Vereinfachte Durchsetzung von Räumungsansprüchen („Berliner Räumung“)
- Kündigungsschutz bei Kündigung für einen Erwerbsgesellschafter ( „Münchener Modell“)
Erleichterung der Energetische Modernisierung
Durch die Reform wird das gesamte Recht der Duldung von Erhaltungs- und Modernisierungsmaßnahmen in einem neuen Kapitel 1a in den §§ 555a bis 555f BGB geregelt. Die Vorschriften werden zugleich mit dem Mieterhöhungsrecht nach Modernisierung (§§ 559
bis 559b BGB) abgestimmt.
Es wird ein neuer Tatbestand der „energetischen Modernisierung“ eingeführt:
Er umfasst alle Maßnahmen, die zur Einsparung von nicht erneuerbarer Primär- oder Endenergie in Bezug auf die Mietsache beitragen. Zugleich wird ein weiterer Tatbestand geschaffen, der sonstige Maßnahmen zum Zwecke der Einsparung nicht erneuerbarer Primärenergie oder zum Klimaschutz erfasst, jedoch ohne unmittelbaren Bezug zur Mietsache. Energetische Modernisierungen führen für die Dauer von drei Monaten nicht mehr zu einer Mietminderung in der Bauphase. Wirtschaftliche Härten wegen der zu erwartenden Mieterhöhung werden bei allen Modernisierungsmaßnahmen ausschließlich im Mieterhöhungsverfahren nach der durchgeführten Modernisierung berücksichtigt.
Die formalen Anforderungen im Rahmen der Begründungspflichten des Vermieters insbesondere bei der Modernisierungsankündigung werden gesenkt. Zur Darlegung der Energieeinsparung soll künftig der Verweis auf anerkannte Pauschalwerte ausreichen – und zwar sowohl bei der Ankündigung von Modernisierungsmaßnahmen als auch im Mieterhöhungsverlangen.
Bei alledem bleibt es bei dem Grundsatz, dass die Kosten einer Modernisierung wie bisher nach § 559 BGB mit jährlich elf Prozent umgelegt werden können. Diese Erhöhungsgrenze gilt auch für die energetische Modernisierung.
Wärmecontracting
Eine vermieterseitige Umstellung der Wärmeversorgung auf Contracting (gewerbliche Wärmelieferung durch Dritte) ohne Zustimmung aller betroffenen Mieter ist nach bislang geltender Rechtslage nicht in allen Fällen rechtssicher möglich. Bei laufenden Mietverhältnissen bestehen je nach Vertragsgestaltung Unsicherheiten, ob und unter welchen Voraussetzungen der Vermieter von der Eigenerzeugung der Heizwärme zum Fremdbezug übergehen und dem Mieter die Kosten der Wärmelieferung als Betriebskosten in Rechnung stellen kann.
Die Regelung des § 556c BGB beschränkt sich auf eine knappe, verständliche Vorschrift zur Umlage der Contracting-Kosten als Betriebskosten. Erforderlich ist zum einen eine Effizienzsteigerung, zum anderen die Kostenneutralität für den Mieter aufgrund einer vergleichenden Kostenbetrachtung. Die Regelung gilt für Umstellungen in laufenden Mietverhältnissen.
Beim Neuabschluss von Mietverträgen besteht auch nach Inkrafttreten der Regelung Vertragsfreiheit, sofern Contracting bei Vertragsabschluss bereits praktiziert wird. Zur Regelung der Wärmelieferung wird gleichzeitig die Verordnung über die Wärmelieferung für Mietwohnraum (Mietwohnraum-Wärmelieferverordnung – MietWohn-WärmeLV) erlassen.
Vereinfachte Durchsetzung von Räumungsansprüchen
1. Räumungsverfügung bei unterlassener Hinterlegung der Miete
Während die Hinterlegungsanordnung abstrakt für alle Dauerschuldverhältnisse ausgestaltet wird, wird mit der anschließenden Räumungsverfügung ein besonderer Schutz für den Vermieter geschaffen. Ist eine Räumungsklage wegen Zahlungsverzugs rechtshängig und befolgt der Mieter eine in diesem Prozess erlassene Hinterlegungsanordnung nicht, kann das Gericht auf Antrag eine Räumungsverfügung gegen Mieter erlassen.
2. vereinfachte sogenannte Berliner Räumung – nur Besitzeinweisung -
Hat der Vermieter gegen den Mieter einen Vollstreckungstitel erwirkt und räumt der Mieter gleichwohl nicht die Wohnung, muss der Vermieter den Gerichtsvollzieher mit der zwangsweisen Durchsetzung des Räumungstitels beauftragen. Für die Beauftragung dieser Vollstreckungsmaßnahme - Besitzverschaffung an den Räumen nebst Wegschaffung und ggf. Einlagerung der darin befindlichen beweglichen Sachen (§ 885 der Zivilprozessordnung – ZPO) - hat der Vermieter als Gläubiger die zu erwartenden Auslagen in Höhe von unter Umständen mehreren tausend Euro vorzuschießen. Einige private Vermieter können diese erheblichen zusätzlichen Auslagen für die zwangsweise Durchsetzung des Vollstreckungstitels nicht oder nur unter erheblichen Anstrengungen aufbringen.
Hier setzen die Neuregelungen zur Räumungsvollstreckung an. Mit der Einfügung des § 885a ZPO wird dem Gläubiger eine Möglichkeit eröffnet, diese hohen Transport- und Lagerkosten zu vermeiden und damit den Kostenvorschuss für die Vollstreckung ganz erheblich zu reduzieren. Die Regelung stellt die in der Praxis entwickelte sogenannte Berliner Räumung auf eine gesetzliche Grundlage.
Um die für Vermieter mit der „Berliner Räumung" verbundenen positiven Effekte rechtssicher im Gesetz zu verankern, soll die Möglichkeit einer auf die bloße Besitzverschaffung beschränkten Räumung als gleichberechtigte Alternative zur „klassischen" Räumung in der Zivilprozessordnung vorgesehen werden (Artikel 4 Nummer 7 - § 885a ZPO). Damit soll Vermietern ermöglicht werden, diejenige Art der Vollstreckung zu wählen, die ihnen nach den Umständen des Einzelfalls optimal erscheint. Der Vermieter kann so vor Erteilung des Vollstreckungsauftrags die Vorteile einer vereinfachten Räumung (Kostenersparnis) gegen die Vorteile der „klassischen Räumung" (Besitzverschaffung an den leeren Räumen und Meidung von Obhuts- und ggf. Schadensersatzpflichten) abwägen. In Fällen insolventer Räumungsschuldner und vermuteter Verwahrlosung der Räume kann die vereinfachte Räumung die schnellste und kostengünstigste Alternative sein. Dagegen ist möglicherweise nach wie vor die „klassische" Räumung vorzuziehen, wenn z.B. ohnehin von einem solventen Räumungsschuldner auszugehen oder im Einzelfall erheblich wertvolles Räumungsgut zu erwarten ist, für dessen Verwahrung der Gläubiger nicht die Verantwortung übernehmen will. Im Fall der vereinfachten Räumung kann der Gläubiger auch noch zum Räumungszeitpunkt seinen zuvor auf die Herausgabe beschränkten Vollstreckungsauftrag auf die sogenannte klassische Räumung der Wohnung durch den Gerichtsvollzieher erweitern.
3. vereinfachte Erweiterung auf zusätzliche Räumungsschuldner
Wird im Räumungstermin durch den Gerichtsvollzieher ein Dritter in der Wohnung angetroffen, der weder im Vollstreckungstitel noch in der Vollstreckungsklausel genannt ist, kann die Räumung der Mietsache in diesem Termin bisher nicht weiter betrieben werden.
Diese Rechtslage kann missbraucht werden, um die berechtigte Räumung der Wohnung zu verhindern. In diesen Fällen soll die Räumung durch eine (ergänzende) einstweilige Verfügung auch gegen diese Personen angeordnet werden können, sofern dem Vermieter die Besitznahme nicht bekannt war. Der Vermieter kann so künftig zeitnah einen (ergänzenden) Räumungstitel beantragen und, wenn das Gericht ihn erlässt, die Vollstreckung schnell abschließen. Diese Regelung eröffnet ohne Abstriche am Rechtsschutz - zuständig für die Entscheidung ist der Richter - ein schnelles und kostensparendes summarisches Erkenntnisverfahren gegen einen Mitbesitzer.
4. fristlose Kündigung bei Nichtzahlung der Kaution
Die Parteien eines Mietvertrags vereinbaren häufig, dass der Mieter für die Erfüllung seiner Pflichten Sicherheit zu leisten hat. Die Mietsicherheit ist ein wichtiges Instrument, um das Ausfallrisiko des Vermieters zu verringern. Zahlt der Mieter die vereinbarte Kaution nicht oder verspätet, erscheint es gerechtfertigt, diesen Fall ebenso zu behandeln wie den Fall der unterbliebenen oder verspäteten Mietzahlung. Der Gesetzentwurf schafft daher mit dem neuen § 569 Absatz 2a BGB eine Möglichkeit für den Vermieter, das Mietverhältnis ohne vorherige Abmahnung fristlos zu kündigen, wenn der Mieter mit einer vereinbarten Sicherheitsleistung in Höhe von zwei Kaltmieten in Verzug ist.
Kündigungsschutz bei Umwandlung in Eigentumswohnung nach dem „Münchener
Modell“
Die Neuregelungen unterbinden die faktische Umgehung des bestehenden Kündigungsschutzes bei der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen nach § 577a BGB nach dem sogenannten Münchener Modell. Beim „Münchener Modell" verzichtet eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder eine Miteigentümergemeinschaft nach dem Erwerb eines mit Mietwohnraum bebauten Grundstücks zunächst auf die Umwandlung in Wohneigentum sowie auf den Verkauf der Wohnungen an die Interessenten. Die nach dem Erwerb ausgesprochene Kündigung des Mietverhältnisses, in das die Gesellschaft bürgerlichen Rechts bzw. die Miteigentümer eingetreten sind, wird mit dem Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter bzw. Miteigentümer begründet. Damit ist die mieterschützende Bestimmung des § 577a Absatz 1 BGB nicht unmittelbar anwendbar. Diese Vorschrift schließt die Kündigung durch den Vermieter wegen Eigenbedarfs und die Verwertungskündigung in solchen Fällen für drei Jahre aus, in denen Wohneigentum an vermietetem Wohnraum begründet und anschließend veräußert wird.